rechtliche Stellung mobiler Haltverbote

 

Neben dem Versuch einer geschlechtsneutralen Formulierung der neuen StVO, ist die Regelung zu vorübergehenden Haltverboten ein besonders bemerkenswertes Kapitel. Auch wenn sich dieser Sachverhalt noch nicht vollumfänglich herumgesprochen hat, so wissen doch einige Verkehrsteilnehmer und die meisten Behörden, dass vorübergehende Haltverbote (Zeichen 283 und 286) Schilder und Markierungen aufheben, die das Parken erlauben.

 

Eine solche Regelung ist zunächst zu begrüßen - denn der erwähnte Konflikt zwischen der Parkerlaubnis (z.B. Zeichen 314 oder Parkflächenmarkierung) und einem Haltverbot (Zeichen 283 oder 286) konnte bisher nur gelöst werden, indem z.B. die Parkplatzschilder ausgekreuzt, abgedeckt oder weggedreht wurden. Die rechtliche Stellung der Parkflächenmarkierungen hätte zudem deren Auskreuzen oder Übermalen zur Folge (letzteres ist markierungstechnisch unzulässig).

 

Zwar spart die neue Regelung den erwähnten Aufwand - was für die Beschilderungspraxis durchaus sinnvoll ist - allerdings lässt sich die Argumentation auch dahingehend führen, dass der Pfusch in der Praxis und das verkehrsrechtliche Verständnis einiger Behörden (Haltverbot ist stärker als Zeichen 314) einfach legalisiert wurden. Denn es ist schon ein Unterschied, ob man über die Parkplatz-Zeichen sorgfältig Kreuze klebt bzw. Müllsäcke stülpt und somit auch visuell für klare Verhältnisse sorgt, oder zum vorhandenen Schilderbaum einfach noch ein Zeichen 283 dazu hängt, welches der Verkehrsteilnehmer dann mit dem Rest der Beschilderung in Einklang bringen muss.

 

Mit "Müllsack" sind wir auch schon bei der spöttischen Bezeichnung für die erwähnte Regelung in der StVO - daher auch "Müllsackregelung" genannt. In selbigen gehört diese, zumindest in der jetzigen Form der Formulierung. Aber der Reihe nach:

 

vorübergehend und mobil
Die Versuche zur Formulierung der genannten Regelung wurden bereits im Zuge der StVO-Schilderwaldnovelle von September 2009 unternommen - damals noch unter Verkehrsminister Tiefensee. Damals sah das so aus:

 

Nr. 61, Anlage 2 StVO (2009)
Vorübergehend angeordnete Haltverbote durch Zeichen 283 und 286 heben Verkehrszeichen oder Markierungen auf, die das Parken erlauben.

 

Die entsprechende amtliche Begründung zu dieser Vorgabe gibt Aufschluss über den gewünschten Sinn und Zweck der Regelung:

 

Nr. 2 des Erläuterungstextes stellt sicher, dass vorübergehend angeordnete Haltverbote zugleich das durch Verkehrszeichen oder Markierungen erlaubte Parken aufheben. Damit bedarf es keiner zusätzlichen Anordnung von Zusatzzeichen bzw. von vorübergehenden Demarkierungen.

 

Bereits damals war der Verordnungstext mangelhaft formuliert und bewirkt eigentlich nicht das, was in der amtlichen Begründung dargelegt wird. Denn lt. Begründung soll das erlaubte Parken (im Geltungsbereich der Haltverbote) aufgehoben werden, nicht aber die Schilder, die das Parken erlauben.

 

Wenn also z.B. einlang einer Straße das Parken nur mit Parkscheibe erlaubt ist und ein Bereich von 10m Länge mit einem Haltverbot beschildert wird, hebt dieses nicht die nur Parkerlaubnis (an dieser Stelle) auf, sondern das ganze Zeichen 314. Das ist etwa so, als würde man das Schild mit einem Müllsack verhüllen, oder wie bisher üblich auskreuzen. Das Parkplatzschild ist folglich "nicht da", wodurch das Parken auch ohne Parkscheibe erlaubt ist - außerhalb des Haltverbotsbereichs versteht sich.

 

Bekanntermaßen ist die Novelle von 2009 gescheitert, bzw. wurde als "nichtig" erklärt (auch dies ist ein hochinteressantes Kapitel in der jüngsten Geschichte des Verkehrsministeriums). Folglich war in der Zeit der "Fehlerbehebung" bis zur StVO-Novelle 2013 genügend Zeit, um sich der fragwürdigen Regelung zu vorübergehenden Haltverboten zu widmen.

Dies hat man auch getan, denn es gab die berechtigte Kritik, dass sich der Begriff "vorübergehend" nicht ausschließlich auf "provisorische" Schilder bezieht, sondern im Grunde alle zeitlich beschränkten Haltverbote umfassen könnte. Damit hätte man zwar eine Rechtsgrundlage für die bereits erwähnten Haltverbote zur Straßenreinigung gehabt (siehe Rubrik Grundlagen), aber dies war offensichtlich nicht gewollt - schließlich hatte man mit der Regelung nur die "beweglichen Verkehrszeichen" im Zuge von Baustellen, Umzügen usw. im Blick. Die entsprechende Überarbeitung hat vermutlich nicht viel Zeit und Überlegung in Anspruch genommen - zumindest wenn man das Ergebnis betrachtet. Denn der Verordnungstext aus dem Jahr 2009 wurde lediglich durch ein zusätzliches "mobile" ersetzt:

 

Nr. 61, Anlage 2 StVO (2013)
Mobile, vorübergehend angeordnete Haltverbote durch Zeichen 283 und 286 heben Verkehrszeichen auf, die die das Parken erlauben.

 

Zusätzlich dazu wurde der Text vom Status einer Erläuterung (2009) in den Status eines Ge- oder Verbotes gehoben (2013). Und damit auch den letzten Zweiflern klar wird, dass diese Regelung jetzt korrekt ist, wird dies in der amtlichen Begründung unmissverständlich dargelegt:

 

Nummer 2 des Erläuterungstextes stellt sicher, dass vorübergehend angeordnete Haltverbote zugleich das durch fest angebrachte Verkehrszeichen oder Markierungen erlaubte Parken aufheben. Damit bedarf es keiner zusätzlichen Anordnung von Zusatzzeichen bzw. von vorübergehenden Markierungen. So genannte „mobile“ Verkehrszeichen (bei den beweglichen Verkehrszeichen handelt es sich gerade nicht um fest installierte Verkehrszeichen, die durch Zusatzzeichen zeitlich befristet sind) gehen damit wiederum den allgemeinen Regelungen des Vorranges von Verkehrszeichen und Markierungen (§ 39 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 5 Satz 1) vor.

 

Auch hier soll die (fast schon vorwurfsvolle) Begründung zeigen, was man versucht hat zu formulieren. Es geht also um bewegliche Verkehrszeichen - dies sind daher "mobile Verkehrszeichen". Leider tauchen sie im Verordnungstext überhaupt nicht auf. Dort ist von mobilen, vorübergehend angeordneten Haltverboten durch Zeichen 283 und 286 die Rede. Das angeordnete Haltverbot ist also mobil - jedoch nicht die Verkehrszeichen, die es erwirken. Ein verbesserter Formulierungsversuch:

 

Durch mobile Zeichen 283 und 286 vorübergehend angeordnete Haltverbote heben Verkehrszeichen auf, die die das Parken erlauben.

 

Damit wäre zumindest der Bezug der Regelung auf bewegliche Verkehrszeichen hergestellt. Das Problem ist aber der Umstand, dass im Bereich des Haltverbotes die Parkerlaubnis aufgehoben werden soll. Stattdessen wird gemäß der gültigen Formulierung das ganze Schild aufgehoben, welches diese Parkerlaubnis erteilt. Daher ein weiterer Formulierungsversuch:

 

Durch mobile Zeichen 283 und 286 vorübergehend angeordnete Halterbote, gehen Verkehrszeichen, die das Parken erlauben, vor.

 

Es fehlt wahrlich noch etwas Feinschliff, aber in dieser Form kommt die Formulierung der ursprünglich gewünschten Regelung recht nahe. Statt die Parkerlaubnis aufzuheben, wird sie im Bereich der Haltverbote lediglich verdrängt bzw. ausgesetzt.

Genau das ist bei der aktuellen, amtlichen Formulierung nicht der Fall. Man kann sich zwar darüber streiten, ob z.B. eine Parkscheinpflicht bereits vor dem Haltverbot nicht mehr besteht - spätestens im Anschluss an das Haltverbot muss die Parkscheinpflicht aber in jedem Fall neu beschildert werden - sonst gilt die allgemeine Parkerlaubnis des §12 StVO - ohne Parkschein versteht sich.

Ein Extrembeispiel ist sicherlich das neue Zeichen 314.1 "Parkraumbewirtschaftungszone". Sind in einer solchen Zone irgendwo mobile Haltverbote angeordnet, heben diese das Verkehrszeichen 314.1 auf und die damit verknüpften Einschränkungen wie z.B. Parkscheinpflicht gelten nicht mehr (weil die ganzen Zone dann nicht mehr besteht). Wie praktisch.

 

Auch bei Zeichen 314.1 gilt:
"heben Verkehrszeichen auf,
die die das Parken erlauben"

 

was ist noch mobil?
Falls es doch irgendwann gelingt, die Formulierung entsprechend anzupassen, stellt sich auch die Frage, was konkret mit "mobil" gemeint ist, bzw. was noch unter diese Definition fällt. Wie die amtliche Begründung zeigt, geht es um bewegliche Verkehrszeichen. Dies dürfte in der Regel bei der klassischen Aufstellung mit Fußplatten der Fall sein. Doch was ist mit den anderen Lösungen, die der Praxis angewandt werden?

 

Klemmschellen
Ein bewährtes Mittel, bestehende Verkehrszeichen abzudecken bzw. zu ändern sind sog. Duplexklemmen (Wemas). Wer diese praktischen Einrichtungen nicht in seinem Lagerbestand hat, behilft sich oft mit Bastel-Lösungen, ggf. auch mit konventionellen Kunststoff-Klemmschellen, mit denen Verkehrszeichen üblicherweise an Schaftrohren befestigt werden. Im Ergebnis wurde ein "mobiles" Verkehrszeichen "vorübergehend" angebracht - doch ist dies auch für den Verkehrsteilenehmer ersichtlich - sprich, rechtswirksam?

Ähnlich verhält es sich mit Klemmschellen, mit denen Verkehrszeichen provisorisch an einem vorhandenem Pfosten angebracht werden können. Abgesehen davon, dass hierbei oft die vorgeschriebenen Aufstellhöhen unterschritten werden, ist auch bei dieser Montage fraglich, ob die Eigenschaft "mobil" noch gegeben ist. In der Regel ist dies klar zu verneinen.

 

mobil und vorübergehend?

 

Schaftrohr und Kabelbinder
Insbesondere in deutschen Großstädten werden vorübergehende Haltverbote gerne an vorhandenen Verkehrszeichenpfosten oder Laternenmasten angebracht. Hierzu sind die Schilder selbst an konventionellen Schaftrohren befestigt, die dann jedoch nicht in Fußplatten stecken, sondern mit Draht oder Kabelbindern an vermeintlichen Aufstellvorrichtungen befestigt werden - das ist ggf. auch mal ein Baum.

Diese Lösung ist nicht nur aus verkehrstechnischen Kriterien unzulässig  - es stellt sich auch hier die Frage, ob dies noch "mobil" im Sinne der StVO ist. Auch hier muss man ganz klar mit "nein" votieren, wodurch solche Lösungen vorhandenen Parkflächenmarkierungen oder Parkplatzschilder eben nicht aufheben.

 

mobil und vorübergehend?

 

Festeinbau / ortsfeste Montage
Diebstahl und Vandalismus sind ein ernsthaftes Problem. Insbesondere bei längerfristigen Maßnahmen liegt da die Option nahe, die oft umgeworfenen oder entwendeten Verkehrszeichen einfach fest einzubauen. Dann muss man zwar hin und wieder Sticker oder Tags entfernen, doch das Schild bleibt wenigstens an ort und Stelle.

Was für die Verantwortlichen einen Mehrwert bedeutet, führt verkehrsrechtlich dazu, dass auch in diesem Fall kein "mobiles" Zeichen vorhanden ist. Vorhandene Parkflächenmarkierungen oder Parkplatzschilder werden demzufolge nicht aufgehoben und müssen folglich ausgekreuzt, abgedeckt oder entfernt werden.